(Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. K.-H. Bichler)
Das Blasenkarzinom ist einer der häufigsten bösartigen Tumoren, die vom Urologen betreut werden. Die Häufigkeit des Tumors nimmt mit dem Anstieg des Lebensalters der Bevölkerung zu. Der Krankheitsverlauf hängt davon ab, ob es sich um ein Carcinoma in situ, ein oberflächliches oder ein muskelinvasives Blasenkarzinom handelt. Die Mehrzahl der Blasenkarzinome (90%) leitet sich aus dem Übergangsepithel der ableitenden Harnwege, dem Urothel ab. Plattenepithelkarzinome finden sich in 5-6%. Selten sind Adenokarzinome (weniger als 2%).
Das Urothelkarzinom kann exophytisch papillär bzw. infiltrierend wachsen. Entsprechend dem Grad der Anaplasie der Zellen wird die Malignität in niedrig-, mittel- oder hochgradig eingeteilt. Das Staging gibt eine Einteilung des Urothelkarzinoms in oberflächliche nicht-invasive (im Allgemeinen niedriggradige) Tumoren sowie in die Kategorie des invasiven Blasenkarzinoms.
Der Häufigkeit nach sind etwa 70% der
Urothelkarzinome oberflächlich
. Gekennzeichnet ist die Oberflächlichkeit dadurch, daß die Lamina propria noch nicht
von dem Tumor erreicht ist. Die Mehrzahl der oberflächlichen Tumoren sind
niedriggradig und gut differenziert. Letztendlich geht bei 10-15% der Patienten mit
oberflächlichen Tumoren das Malignom in einen invasiven bzw. metastasierenden
Zustand über, wobei multiple oberflächliche und große ausgedehnte Tumoren im
Allgemeinen eine schlechtere Prognose aufweisen. Das Carcinoma in situ ist als der
gefährlichste Typus anzusehen.
Das Hauptproblem der
oberflächlichen Tumore
ist die hohe Rezidivrate. Der Verlauf des oberflächlichen Blasenkarzinoms ist aufgrund der Heterogenität des Tumors
schwer vorhersehbar. So kommt es bei einigen Patienten zu einer raschen
Progression, im Sinne eines tief infiltrierenden Tumors und bei anderen zu langsamem
Wachstum von multiplen, zu verschiedenen Zeiten auftretenden Tumoren.
Das muskelinvasive Übergangsepithelkarzinom weist bereits bei der ersten Diagnose in einem hohen Prozentsatz Metastasen auf. Die Tiefe der Invasion gibt prognostische
Hinweise. So wird für das T1-Karzinom eine 5-Jahres-Überlebensrate von 60-70%
angegeben, für das T2-Karzinom von 40% und T3 von 35%, während T3b bereits nur
noch eine 5-Jahres-Überlebensrate von 18% hat.
Ausgehend von diesen grundsätzlichen Aussagen spielt die
stadiengerechte Behandlung des Blasenkarzinoms
eine große Rolle. Im Vordergrund steht dabei die transurethrale Elektroresektion. Sie wird zunächst als diagnostischer Eingriff eingesetzt
und erlaubt in vielen Fällen die Entscheidung über das einzuschlagende
Therapiekonzept. Art und Qualität der Erstbehandlung des Harnblasenkarzinoms
haben entscheidenden Einfluß auf die weitere Prognose. Von größter Wichtigkeit ist
es, das Tumorstadium exakt zu bestimmen, um eine davon ausgehende
Therapiestrategie zu wählen. Oberflächliche Probeexzisionen können die
Infiltrationstiefe des Tumors nicht erfassen und liefern häufig ein falsches Grading.
Mit einer
differenzierenden diagnostischen transurethralen Resektion
hingegen ist es möglich, das genaue lokale Tumorstadium zu erfassen
[ 1 ]
Da das oberflächliche
Blasenkarzinom häufig zu Rezidiven neigt, sind wiederholte
Resektionen
bzw. Zystoskopien notwendig. Bei der Behandlung der Rezidive spielen auch die lokale
Chemotherapie und die Laseranwendung (Neodym-YAG-Laser) eine Rolle. In jüngster
Zeit geben DNA-zytophotometrische Untersuchungen Anhaltspunkte zur Indikation der
Chemotherapie beim oberflächlichen Blasenkarzinom.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß für die sachgerechte Behandlung des oberflächlichen Blasenkarzinoms eine konsequente transurethrale Resektionsbehandlung mit entsprechenden Nachresektionen und sogenannten "Sicherheitsresektionen" [ 1 ] von großer Bedeutung ist. Die Resektion allein kann allerdings nicht alle Tumoren kontrollieren bzw. das Auftreten neuer Tumoren verhindern. Eine intravesikale (topische) Chemotherapie ist vielmehr notwendig, um bei Rezidivtumoren eine definitive Behandlung zu ermöglichen.
Das invasive Blasenkarzinom umfaßt 20-25% der initial anzutreffende Karzinome. Die
Häufigkeit beträgt 1-5 pro 100.000 Personen. Die
Behandlung des invasiven Harnblasenkarzioms
ist noch immer kontrovers: es besteht kein Konsens über die beste lokoregionale Behandlung. Hier hat die Einführung adjunktiver systemischer
Therapien das Management der Behandlung kompliziert. Die transurethrale Resektion
ist die am wenigsten aggressive operative Methode zur Behandlung des infiltrierenden
Blasenkarzinoms, wobei allerdings eine komplette Resektion in mehreren Sitzungen
anzustreben ist. So berichtet Herr über eine Gruppe von 45 Patienten mit T2-Tumoren,
bei denen ausschließlich die transurethrale Resektion durchgeführt wurde
[ 3 ]
Nachresektionen ergaben keinen Anhalt für Tumor. Dabei fanden sich bei 67% auch
in der weiteren Kontrolle keine Tumoren. Herr schließt daraus, daß bei eindeutig
lokalisierten invasiven Karzinomen die transurethrale Resektion eine überlegenswerte
Behandlungsalternative ist. Festzuhalten ist, daß die transurethrale Resektion beim
invasiven Karzinom nur für bestimmte Patienten aussichtsreich ist (T2, monofokal).
Bei Patienten mit tiefer Muskelinvasion ist eine forcierte Therapie wie die
radikale Zystektomie
angezeigt. Zusammen mit der Lymphknotenausräumung ist dies die zu präferierende operative Behandlung des invasiven Blasenkarzinoms. Dieses
Therapiekonzept zeigt 5-Jahres-Überlebensraten von 75% für T2-Tumoren, 44% für
T3- und 36% für T4-Tumoren. Die radikale Zystektomie erfordert Urinableitungen, z.B.
durch Ileum Conduit, kontinente Stomaableitung bzw. Darm-Ersatzblase.
Zu erwähnen ist noch die
partielle Zystektomie.
Ein Konsensus-Meeting aus dem Jahre 1993
[ 2 ]
kam zu dem Schluß, bei solitären invasiven Tumoren am Dach der Harnblase
eine partielle Zystektomie durchzuführen. Dabei sollte ein mindestens 2 cm breites
Marginal um den Tumor herum mitentfernt werden. Auf jeden Fall muß ein Carcinoma
in situ ausgeschlossen werden. Zu erwähnen ist die partielle Zystektomie noch bei
Tumoren in Harnblasendivertikeln.
Die
Strahlenbehandlung
des invasiven Karzinoms könnte vom Ansatz her die Radikalchirurgie vermeiden und damit die Blase erhalten. Es zeigt sich aber, daß nur
20-30% der Patienten durch Strahlentherapie geheilt werden und nur 15% der
unvollständig ansprechenden Tumorpatienten einer Salvage-Zystektomie zugeführt
werden konnten.
Zusammengefaßt ist festzuhalten, daß die transurethrale Resektion für alle Blasenkarzinome im Vordergrund der Behandlung (Diagnostik) steht:
Für das oberflächliche Karzinom zeigt dieser Behandlungsmodus mit oder ohne topischer Chemotherapie hohe Erfolgsaussichten (95% 5-Jahres-Überlebensrate). Das invasive Blasenkarzinom bedarf jedoch beim größten Teil der Patienten einer radikalen operativen Methode.
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